Was taugen Schnelltests?

Was taugen also diese Antigen-Tests die für Schnell- und Selbsttests eingesetzt werden? Prof. Drosten hat ja in seinem gestrigen Podcast auch auf die hohe Fehlerquote des Tests verwiesen. Hier lohnt es sich genau hin zu schauen …

Antigen- oder Lateral-Flow-Tests bekommen eine Probe eines Nasen/Rachenabstriches vorgelegt, die dann in einer Lösung langsam den Teststreifen entlang kriecht (das ist der lateral flow). In zwei Querstreifen befinden sich Farbstoffe, die an Sensormoleküle gebunden sind. Der weiter entfernte Querstreifen reagiert auf das Lösungsmittel und zeigt somit an, dass der Test korrekt benutzt wurde. Am eigentlichen Test-Querstreifen ist der Farbstoff an Antikörper gebunden, die spezifisch auf bestimmte Viruseiweiße reagieren. Derartige Antikörper sind auch Bestandteil des Immunsystems, sie dienen der Erkennung schädlicher Eindringlinge.

Problemfelder

Was kann dabei schief gehen?

Zunächst mal könnte es ein anderes Material geben, dass den Farbstoff zum Leuchten bringt. Säuren sind da beispielsweise geeignet. Deswegen sollte man einige Zeit vor einem Test nichts trinken (außer Wasser). Andere Krankheitserreger lösen den Antikörper nicht aus. Es ist jedoch denkbar, dass nahe Verwandte des SARS-CoV2 ebenfalls eine Reaktion hervor rufen. Praktisch bekannt sind solche Fälle bisher nicht.

Ist wenig Virusmaterial vorhanden, so gibt es nur eine sehr schwache oder gar keine Verfärbung des Teststreifens. Man könnte also eine schwache Linie für fälschlich negativ halten. Dass kein oder zu wenig Material vor liegt kann nicht nur daran liegen, dass die Person virenfrei ist, sondern auch an einem fehlerhaften Abstrich. Wer also nur kurz durch die Nase huscht, riskiert eine zu geringe Probenentnahme. Auch kann die Nase gerade frisch gereinigt worden (Nasenspray etc.) und so evtl. vorhandenes Virenmaterial beseitigt sein.

Darüber hinaus variiert die Virenmenge in den oberen Atemwegen während des Krankheitsverlaufs. So steigt die Virenlast erst einige Tage an (und der Test erkennt nichts), dann ist man infektiös (und der Test schlägt an). bekommt evtl. Symptome, weil sich das Virus in die Lunge verlagern (der Test schlägt nicht mehr an). Insbesondere die ersten Tage stellen ein Problem dar, denn obwohl der Test (gerade noch) negativ ist, ist man einige Zeit später schon infektiös.

Aber auch Umgebungseinflüsse können den Test beeinträchtigen. Ist es zu warm oder zu kalt, erfolgt die notwendige Nachweisreaktion nicht in der benötigten Stärke, der Test wird so unbrauchbar. Natürlich können auch Proben vertauscht werden. Und man sollte die Teststäbchen auch nicht mehrfach benutzen.

Fazit

Summiert man all diese Fehlermöglichkeiten auf, so stellt sich heraus, dass in der Praxis ein positiver Schnelltest fast immer auch eine positive PCR Bestätigung bekommt. Die Fälle in denen der Test falsch positiv ist, sind meist durch Fremdeinwirkung (z.B. Trinken von Cola oder Fruchtsaft) zurück zu führen. Andererseits sagt ein negativer Test wenig aus, denn an drei von acht Tagen des typischen Infektionsverlaufs bleibt er aufgrund der niedrigeren Virenlast negativ. Schlechte Abstriche und falsche Handhabung dazu, kann eine infizierte Person in 40% der Fälle fälschlich als negativ bewertet werden.

Kürzlich hat das RKI davon geschrieben, dass Geimpfte genauso angesehen werden sollen, wie negativ Getestete. Das ist in Anbetracht der gerade vorgenommen Ausführungen völlig verständlich: Geimpfte können sich zwar wieder infizieren und diese Infektion auch weiter geben, aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist mit höchstens 10% deutlich kleiner als die 40% false-negative Wahrscheinlichkeit eines Schnelltests.

Das ist deutlich weniger als die Politik aus der Aussage heraus zu lesen versucht: Geimpfte sind also ebenso wenig wie negativ Getestete garantiert ungefährlich, sondern übertragen in einer vergleichbaren Größenordnung das Virus trotzdem weiter.

Der Krux mit den Prozenten

Nehmen wir ein Beispiel: In einer größeren Stadt wurden 10000 Schnelltests an einem Tag durchgeführt. Dabei wurden 20 positive Tests ermittelt. Die Inzidenz in der Gegend liegt bei 150.

Mit einer unbekannten Dunkelziffer (die die Anzahl der Infizierten nach oben treiben würde) und einer Vorselektion auf komplett symptomfreie Nutzer der Schnelltests (was die Anzahl nach unten treibt) ist es eine mögliche Annahme, dass sich diese beiden Effekte neutralisieren. Man kann also die Inzidenz direkt auf die Testmenge anwenden und würde somit 15 Infizierte unter den 10000 Test-Kandidaten erwarten.

Von den 15 Infizierten haben 40% ein falsch-negatives Ergebnis: 6 Personen bekommen also einen negativen Befund, obwohl sie aktive Virenträger sind. Die restlichen 9 Infizierten werden korrekt erkannt. Da aber 20 positive Tests vorliegen, sind elf Personen mit falsch-positiven Resultaten dazu gekommen.

Wenn man selbst zum Testen geht, interessiert man sich natürlich nur für die Wahrscheinlichkeit die der Test bei einem persönlich hat. Ob man infiziert ist oder nicht, weiß man ja nicht. Also gehört man zur Gesamtheit der getesteten Personen. Und da hat der Test also:

  • 11 von 10000 = 0,11% falsch-positive Wahrscheinlichkeit
  • 6 von 10000 = 0,06% falsch-negative Wahrscheinlichkeit

Hat man dann wirklich einen positiven Test (was erst mal unwahrscheinlich ist), dann kann der zu über 50% falsch-positiv sein. Diese massive Vergrößerung ist als bedingte Wahrscheinlichkeit bekannt und der menschlichen Intuition fremd.

Dieses Verschätzen der Intuition ist in die andere Richtung noch viel extremer. Aus der Angabe 40% nimmt man einfach an, dann 4000 Virenträger unerkannt durch die Tests kommen! Real sind es aber nur sechs Personen, also 1,5 Promille der intuitiven Vorstellung.

Schnelltests filtern also Infizierte aus der Masse heraus, verringern aber die Anzahl der Infizierten nicht ausreichend.

Die Verwendung von Schnelltests als Freigabe für Öffnungen und Treffen ist bei hohen Infektionszahlen schlicht fahrlässig. Nur bei niedrigen Inzidenzwerten eignen sich Schnelltests für diesen Zweck. Sie dienen dann dem Auffinden von noch unbekannten Infektionsclustern in einer fast komplett virenfreien Umgebung.

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