Die 5%-Hürde überdacht

Die 5%-Hürde ist eine Problem für die Demokratie, wenn die Zersplitterung der Parteienlandschaft anhält. Ein erster Versuch, die Hürde anders zu interpretiern, kann als gescheitert angesehen werden. Aber es gibt auch andere Überlegungen.

Die erste Idee lief darauf hinaus, die 5%-Hürde einfach wegfallen zu lassen, wenn zuviele Stimmen verloren gehen. Das führt zu einer dann tatsächlich Zersplitterung des Parlaments und macht die Mehrheitsbildung schwierig. Das hatte ich vor einigen Tagen ja ausgeführt.

Zweck der Hürde

Ziel ist es, das Parlament handlungsfähig zu halten. Dafür wird es als zulässig angesehen, bis zu 5% der Stimmen wegfallen zu lassen. Aber 5% von was? Die aktuelle Reglung kegelt alle Parteien heraus, die in ihrem Wahlgebiet nicht minimal 5% der Stimmen erhalten. Die Hürde wird also pro Partei angewendet. Fallen viele Parteien unter diese Hürde werden unverhältnismäßig viele Stimmen für ungültig erklärt.

Im aktuellen Wahlergebnis würde die große Koalition mehr als 75% des Bundestages dominieren. Die Opposition wird damit ihrer Handlungsmöglichkeiten (Untersuchungsausschüsse etc) beraubt, da sie die notwendigen 25% der Stimmen nie aufbringen kann. Der Wegfall der vielen Stimmen für die sonstigen Parteien macht den Bundestag somit für die Opposition handlungsunfähig.

Die entscheidende Frage ist also, ob man die 5% als Maximalgrenze der wegfallenden Stimmen interpretieren kann. Wenn das möglich ist, in welcher Form geht das?

Abschneiden von unten

Die einfachste Idee besteht darin, 5% der gültigen Stimmen als Obergrenze der streichbaren Stimmen anzusehen. Die Stimmen von den wegfallenden Parteien dürfen diese Grenze nicht überschreiten. Optimierungziel ist es, möglichst wenig Parteien übrig zu lassen.

Der Algorithmus ist simpel:

  • Man beginnt mit 5% der gültigen Stimmen als Schwelle.
  • Es wird immer die Partei entfernt, die die wenigsten Stimmen hat.
  • Diese wegfallenden Stimmen werden von der aktuellen Schwelle abgezogen.
  • Gibt es keine Partei mehr, die weniger Stimmen als die letzte Schwelle hat, ist Schluß.

Das Verfahren stellt sicher, daß nie mehr als 5% der Gesamtstimmen verworfen werden. Es können aber auch deutlich weniger sein, da sie Stimmenanzahlen der Parteien immer größer werden.

wahl2013-cutlow

Dieses Verfahren führt bei der Wahl 2013 zu folgendem Resultat:

CDU/CSU 273
SPD 169
DIE LINKE 56
GRÜNE 55
FDP 31
AfD 31
PIRATEN 14

Mit diesen Sitzverhältnissen sind folgenden Mehrheiten möglich (maximal drei Parteien):

Mehrheit Partei 1 Partei 2 Partei 3
52.4% CDU/CSU DIE LINKE  
70.3% CDU/CSU SPD  
52.3% CDU/CSU GRÜNE  
50.8% CDU/CSU FDP PIRATEN
53.4% CDU/CSU FDP AfD
50.7% CDU/CSU AfD PIRATEN

Es gibt keine Mehrheit mehr, die weniger als 25% Opposition zuläßt.

Abschneiden von allen

Gerechter erscheint dagegen das Verfahren, die Stimmen reihrum bei den kleinen Parteien wegzuschneiden, bis 5% der Gesamtstimmenzahl entfallen sind.

Dieses Verfahren benachteiligt nicht nur die kleinsten Parteien, sondern beschneidet auch die übrig bleibenden Kleinparteien in gleicher Weise.

wahl2013-cutall

Wendet man diese Methode an gibt es die folgenden Ergebnisse:

CDU/CSU 276
SPD 171
DIE LINKE 57
GRÜNE 56
FDP 27
AfD 27
PIRATEN 10
NPD 4
FREIE WÄHLER 2

Man sieht schön, daß die großen Parteien mehr Mandate bekommen als im vorherigen Vorschlag. Das liegt daran, daß die 5%-Schwelle besser ausgenutzt wurde. Es sind also mehr Stimmen für die kleinen Parteien weggefallen. Gleichzeitig sind die kleinen Parteien auch auf einem deutlich niedrigerem Niveau. dafür sind es mehr Parteien.

Dies ermöglich die folgenden Mehrheiten mit maximal drei Parteien:

Mehrheit Partei 1 Partei 2 Partei 3
52.9% CDU/CSU DIE LINKE  
71.0% CDU/CSU SPD  
52.8% CDU/CSU GRÜNE  
52.6% CDU/CSU FDP AfD

Auch hier gibt es keine demokratiegefährdente große Koalition mehr.

Was tun mit den Kleinen?

Was können die Abgeorndeten der kleinen Parteien überhaupt tun?

Als Fraktion ist definiert ein Zusammenschluß von mindestens 5% der Abgeordneten (hier 32 Sitze). Diese müssen nicht der gleichen Partei angehören.

Da es den Abgeordneten zur Fraktionsstärke fehlt, können sie sich untereinander zu Gruppen zusammenschließen oder anderen Fraktionen anschließen. Oder als Einzelabgeorndete im Parlament aktiv werden.

Welche Form sinnvoll erscheint, muß wohl jeder selbst festlegen.

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Matti 10/10/2013 5:01 pm
Ich brauche ein bisschen, um das alles zu verstehen, aber ein Ansatz wäre erstmal das Überarbeiten von http://www.gesetze-im-internet.de/btgo_1980/__10.html, damit die kleinen Parteien sich überhaupt zu einer Fraktionsgemeinschaft zusammenschließen können (die konkurrieren ja normalerweise untereinander, brauchen also als Fraktion die Anerkennung der Bundestagsmehrheit).

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