Kommentar: Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein

Die aktuell kochende Debatte zur Reform des Urheberrechts, insbesondere im Zusammenhang mit dem Internet ist ebenso spannend wie ermüdend. Es gilt dabei in der erster Linie zu verstehen, was den jeweiligen Gegenpart antreibt.

Die Erschaffer

Jedes Werk hat einen Erschaffer. Der Akt des Erschaffens ist eine Investition von Zeit, Können und Material. Auch der Akt der Aufführung ist eine solche Investition. Und wofür? Für den Konsumenten. Im Idealfall zahlt der dann dem Erschaffer für seine Leistungen einen Preis.

Es ist allerdings schwierig - sowohl für den Erschaffer als auch für den Konsumenten, für das Werk zusammen zu kommen. Hierbei braucht es Hilfe.

Die Rechteverwerter

Auslöser des Ganzen Spektakels ist die sterbende Branche der Rechteverwerter. Dies ist eine Gruppe von kommerziellen Vermittlern zwischen Erschaffenden und Konsumenten. Sie spekulieren auf zukünftige Talente, indem sie sie frühzeitig unter Vertrag nehmen, leidlich finanziell ausstatten und zu Erfolgserlebnissen führen. Hat man Glück mit der Spekulation werden große Geldsummen umgesetzt, an denen der Vermittler beteiligt wird. Davon kann er auch Fehlschläge abfedern. Sei es ein Buch, ein Musikstück, ein Film, eine Skulptur, ein Bild, ein Theaterstück, eine Fernsehserie, ein Computerspiel oder etwas anderes.

Die Rechteverwerter haben mit dem Urheberrecht ein Mittel in der Hand, mit der sie dem Schaffenden die Verwertung seiner Werke abkaufen. Er kann dann oft selbst nicht auftreten, ohne eine Vereinbarung mit seinem eigenen Verwerter getroffen zu haben, d.h. ein Teil seiner Einnahmen abführen zu müssen.

Voraussetzung dieses Modells ist, dass die Aufführungen unter Kontrolle des Vermittlers bleiben. In der einfachsten Form wird der Vermittler die Aufführung selbst organisieren. Um eine Amortisation der Anfangskosten und Fehlinvestitionen sicher zu stellen, werden die Verwertungsrechte sehr lang gewährt, auch über den Tod des Erschaffers hinaus. Die Idee dahinter ist, dass einige wenige zentral agierende Vermittler so viel Fehlinvestitionen vornehmen können, dass ein reiches kulturelles Leben für alle gedeihen kann.

Wie in allen Fällen verselbstständigen sich Teile des Konzepts und es gibt unerwünschte Missbildungen. So kann ein Vermittler wesentlich zu hart mit vermeintlichen Aufführungen umgehen, bspw. wenn Kinder beim Laternenumzug singen. Auch Gerechtigkeitsfragen sind ein immer wieder auftretender Knackpunkt, insbesondere, wenn es um die weitere Finanzierung der Fehlinvestitionen geht. Was kulturell wertvoll ist, muss nicht zwangsläufig eine sprudelnde Geldquelle sein.

Eine besondere Form der Vermittlungstätigkeit ist im Journalismus anzutreffen: Die erzeugten Produkte haben eine Halbwertszeit von wenigen Tagen, erfordern aber oft einen erheblichen Aufwand, um seriös zu sein. Entsprechend hoch ist der Druck, die wenigen Ergebnisse schnell, häufig und exklusiv zu vermarkten. Ein wesentliches Problem ist dabei die leichte Reproduktion des Produktes (einer Nachricht). An dieser Stelle wäre es dem Vermittler (der Zeitung) sehr recht, wenn sämtliche - auch ansatzweise reproduzierten - Kopien der Nachricht unter Kontrolle des Vermittlers blieben. Dies ist der Kern des Leistungsschutzrechtes. Es wird ebenfalls unter der Annahme formuliert, viele Fehlinvestitionen zu kompensieren und damit eine Vielfalt an Meinungen zu erhalten.

Das Internet

Der Kerngedanke des Internets ist dagegen die Idee, jede Form von Vermittlung zu vermeiden: "Jeder hat das Recht zu senden" und "Jeder hat das Recht sich aus öffentlich verfügbaren Quellen zu informieren" sind zwei Aussagen, die das Grundgesetz als Meinungs(äußerungs)freiheit und Rezipientenfreiheit bezeichnet. Diese Offenheit des Internet führt zu einen bis dahin unbekannten Meinungspluralismus und einem gigantischen kulturellem Reichtum, der jedem zur Verfügung steht.

Unglücklicherweise kann nicht jeder jedem jederzeit zuhören. Stattdessen muss man seine zeitlich beschränkte Aufmerksamkeit auf wenige von einem selbst ausgewählte Informationen konzentrieren. Welche das sind, entscheidet die Aufmerksamkeitsökonomie.

Was man aber tun kann, ist andere auf eine Quelle hinzuweisen. Dieses Konzept der Referenzierung einer Quelle nennt man Verlinkung. Mit einem kurzen kontextbezogenen Hinweis wird der Interessierte an die Originalstelle verwiesen. Der Hinweistext dient dabei als Motivation, zum fremden Angebot zu wechseln.

Referenzierung führt also vom eigenen Angebot weg zu einem Fremden. Es ist eine aktive Abgabe des Nutzers an andere. Dies ist das vollständige Gegenteil dessen, was bei einem Verwertungsmodell umgesetzt werden soll: Der Konsument soll maximal viel Ressourcen bei nur einem Produkt investieren.

So gesehen liegt dem Internet eine kommunistische Idee zugrunde: Jeder bietet an, was er kann und jeder nutzt, was er braucht. Auch das führt zu Vielfalt, nicht aber zu finanzieller Sicherheit für den Erzeuger. Internet kann man halt nicht essen.

Die angebotenen Monetarisierungsmöglichkeiten sind derzeit beschränkt: Man kann die gewonnene Aufmerksamkeit verkaufen indem man Werbung einblendet, oder man fordert vorab eine Bezahlung der Leistung ein (Paywall). Auf der Strecke bleiben dabei alle Dienstleister, die den Abruf der Information überhaupt erst ermöglichen: Niemand zahlt die Einnahmen anteilig an die Hersteller der Browser, der Betriebssysteme, der Webserver oder gar an die Transporteure der Daten. Die Infrastruktur wird als gegeben hingenommen.

Die Verweise selbst, die oft schon viel von der Information verraten, bleiben dabei komplett außen vor. Wer an dieser Stelle ein Geschäft aufzieht, indem er Verweislisten anbietet und die Aufmerksamkeit des Besuchers bei sich behält, kann die Geldflüsse zu sich umleiten. Das ist genauso wie eine Zeitung das Geld einsammelt, indem sie die Arbeit der Journalisten zusammenfasst und vervielfältigt. Interessanterweise unterscheidet sich hier das Vertragsverhältnis: Für einen Link im Internet braucht man keinen Vertrag, für einen Abdruck in der Zeitung schon.

Man könnte einfach hingehen und das Problem ignorieren. Wer interessante, wertvolle, oder aufmerksamkeitsheischende Inhalte anzubieten hat, wird durch viele Referenzen viele Konsumenten zugespielt bekommen und kann dann selbst monetarisieren.

Um aber gute Werbeverträge zu bekommen, braucht man einen Vermittler. Schon wieder Vermittler? Ja, allerdings liegt das Risiko komplett beim Erschaffer, denn eine Vorfinanzierung gibt es nicht.

Lösungsmöglichkeit

Wie kommt man aus diesem Dilemma heraus?

Es bedarf der Möglichkeit eines Vertragsschlusses zur Referenzierung, alternativ Micropayments. Könnte der Erschaffer (oder sein Rechteverwerter) eine korrekt, bezahlte Referenzierung ermitteln, so könnte er die Paywall nach außen verlagern und das Geld an den referenzierenden Plattformen auf Vertragsbasis abgreifen.

Was es dazu braucht ist eine andere Art der Referenzierung. Diese muss bis durch den Verbindungsaufbau hindurch den Nachweis der Abrechnung gestatten. Mit dem klassischen LINK-Element geht das nicht.

Gäbe es ein Element (ich nenne es mal das RECHTS), das den Verkauf von Referenzierungsrechten gestattet, so könnten die großen Plattformen entsprechenden Kontingente erwerben und damit auf die interessanten und spannenden Inhalte verweisen.

Es geht um die <right
  prepaid="U3BpZWdlbC5PbmxpbmU9UGF5Okdvb2dsZToxMjM0NTYK"
  href="https://spiegel.example/123456"
>Freiheit des Internets</right> und die Zukunft unserer Gesellschaft.

Wer kein Plattformbetreiber ist, kann trotzdem auf die Inhalte referenzieren, indem er auf die Micropayment-Schnittstelle des Verwerters verweist.

Es geht um die <right
  payment="gemacoin:springer"
  currency="EUR"
  view="0.0001" click="0.001"
  href="https://spiegel.example/123456"
>Freiheit des Internets</right> und die Zukunft unserer Gesellschaft. 

Da bei dieser PayPerUse Methode nicht sicher gestellt ist, dass entsprechende Zahlungen erfolgen, wurde der Preis zum Anzeigen des Referenzierungstextes auf ein Hundertstel-Cent festgelegt. Der Browser verhindert dann die Anzeige des Referenzierungentextes.

linktax

Das Anklicken kostet dann ein Zehntel-Cent. In beiden Fällen wird eine spezielle Form der TCP-Kommunikation zum Webserver aufgemacht, die sicher stellt, dass die Bezahlmethode auch ausgeführt wurde. Erfolgt der Zugriff ohne diese Methode (z.B. per LINK), dann lehnt der Webserver die Anfrage mit 402 - Payment required ab oder lenkt auf eine extra Paywall um.

Zusätzlich ermöglicht diese spezielle Art des Verbindungsaufbaus, dass die Access- und Transitprovider an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaften teilhaben. Die Gelder, die durch das RIGHT-Element von den großen Plattformen zu den Erschaffern oder deren Verwertern strömen, sind ja nicht nur für die Leistungen der Erschaffer, sondern auch für die Dienstleistung, die die Provider erbringen, indem sie die Konsumenten zuführen.

Fazit

Der Wunsch aller an einem Werk beteiligter Personen und Unternehmen an entsprechender Entlohnung ist nachvollziehbar. Da das Internet in seiner jetzigen Form das nicht leisten kann, muss es um ein entsprechendes Element der entgeltpflichtigen Referenzierung ergänzt werden. Mittels dieser Erweiterung ist es allen, die auf einer Entlohnung bestehen, möglich, die notwendigen Einnahmen zu generieren.

Es steht jedem frei, seine Werke im Internet mit den kommunistischen Links oder den entgeltpflichtigen Rechts referenzieren zu lassen. Lassen wir also die Rosinenpickerei. Auf beiden Seiten. Verlinken wir nicht mehr auf kommerzielle Inhalte, lassen wir Rechts im Internet gedeihen.

Avatar
Wolfgang Ksoll 06/07/2018 7:37 pm
Vor 20 Jahren habe ich bei einer Veranstaltung an der Informatik der Humboldt Uni gesagt, wenn Micropayments sich durchsetzen wollen, müssen sie bald kommen. Kamen sie aber nicht. Der Ansatz ist klassische Denke in neuem technischen Kleid. Im Internet ist entscheidend, dass die Kosten für den Vermittler für Distribution auf CD oder Papier sowie Risiken im Verkauf (Kommissionsware für Hændler) weggefallen sind. Auf der anderen Seite gibt es ja funktionierende Geschäftsmodell wie das von YouTube oder des öffentlich rechtlichen Rundfunks, wo die Kreativen unabhängig von den Zuschauerzahlen vergütet werden. Meines Erachtens sollten wir auf das Copyright ganz verzichten (macht technisch und kaufmännisch eh nur für große Namen Sinn, siehe “No Copyright”) und uns schwerpunktmäßig darum kümmern, wie Urheber ohne technische Behinderungen finanziert werden.
Avatar
Berliner0815 06/07/2018 3:37 pm
Weiss Duden.de schon Bescheid? Damit die sich rechtzeitig Gedanken um die Deklination von verrechtsen (analog zu verlinken https://www.duden.de/rechtschreibung/verlinken ) machen können...

Total 2 comments

Post a comment

Related content