Netzneutralität

Die Kosten für die notwendige Technik sind praktisch fix, man kann den Umlagepreis pro Kunde durch einen Überbuchungsfaktor verringern.

Es gibt also zwei Arten von Geschäftsmodellen für Internetzugänge:

  1.  Zugänge mit garantierten Eigenschaften
  2.  Zugänge nach "best effort"

Interessant sind die Details der Garantien. Zunächst ist klar, daß man keine Leitungen Dritter zusagen kann, ohne diese vertraglich abzusichern. Eine Bandbreitenzusage kann also prinzipell nur innerhalb des eigenen Netzes gegeben werden. In den AGBs steht dann also regelmäßig drin, daß die Leistungserbringung nach der Übergabe an einen anderen ISP endet.

Für VoIP und IP-TV sind die kompletten Pfade unter vertraglicher Kontrolle und damit ist eine Zusage der Qualitätsparameter (Durchsatz, Latenz, Jitter) überhaupt erst möglich. Man beachte bitte, daß VoIP in diesem Kontext als klassischer Telefonieersatz betrachtet wird: Die Gegenstelle des Kunden ist eine vorab festgelegte Serverfarm, über die sämtliche Gespräche laufen. Das erfordert schon der gesetzlich vorgeschriebene Betrieb der Abhöreinrichtungen. VoIP zwischen Kunden direkt (über ENUM oder Skype) kann und wird keinerlei Qualitätsgarantien bekommen. In Konsequenz heißt das, daß kein ISP die Qualitätseinstellungen des Kunden beachten wird. Wenn überhaupt, dann nur als Empfehlung für eine Wegstrecke, die technisch diese Information kundenseitig benötigt.

Nun zur Frage was Qualität eigentlich ist. Kurz gesagt umfaßt QoS die Erlaubnis, den Dienst gar nicht bereitzustellen. Im Falle der Überschreitungen der Leistungsparameter der Technik muß man irgendwas weglassen: Die Reihenfolge legt QoS fest. Wenn nicht genug Ressourcen bereitstehen, um die Qualität zu liefern, gibt es keine Verbindung. Bei der Telefonie kennt man das als "gassenbesetzt".

Für den Kunden heißt das alles, daß der ISP für alle verkauften Qualitäten die entsprechende Technik bereitstellen muß. Kurz: Preis von Technik durch Abschreibung und Anzahl der Qualitätskunden.

"Best effort" Kunden bedient man nach dem "Resteverramscher"-Prinzip. Niemand kann ersthaft erwarten, daß eine Kleinstadt mit – sagen wir mal – 2000 versorgten Haushalten für 20€ pro Monat die verkauften 25 Mbps im ganzen Netz des ISP garantiert zur Verfügung stehen. Dafür benötigte man ja 50 Gbps. Zum Realitätsabgleich: Die meisten ISPs sind mit 1Gbps an den Austauschpunkten präsent. Größere ISPs (vor allem die mit Geschäftskunden) kommen mit 10Gbps an die Austauschknoten. DTAG und Co haben einige 40Gbps. Dort endet dann die bezahlbare Technik. Die im Massenmarkt verkauften Bandbreiten beziehen sich auf die Anschlußbandbreiten bis zur nächsten aktiven Technik des ISP: Also ausschließlich auf den direkten Anschluß des Kunden, die letzte Meile.

Die meisten Leute sind schockiert, wenn die nicht mit 25Mbps und 10ms auf den Gameserver in Australien kommen und beschweren sich lauthals über schlechte Leistung ihres ISP. An dieser Stelle hat das Marketing der ISPs flächendeckend versagt und eine Generation von Erwartungsträgern herangezogen, die nur noch unzufrieden sein kann.

Was hat das Ganze nun mit Netzneutralität zu tun? Sehr viel und sehr wenig.

Netzneutralität bedeutet im strengen Sinne, daß das Transportmedium für alle Beteiligten und alle Inhalte die gleiche Leistung bereitstellt. Diese strenge Netzneutralität ist weder umsetzbar noch realistisch.

Netzneutralität bedeutet im politischen Sinne, daß keine künstlichen Qualitätsabsenkungen eingeführt werden, für deren Aufhebung extra Geld bezahlt werden muß. Der Kerngedanke liegt hier auf "Absenkung".

Es gibt einen Knackpunkt in der Debatte, an dem die Meinungen immer divergieren werden: Verletzungen von Fair-Use. Alle ISPs treffen implizite Annahmen über das Nutzungsverhalten der Dienste durch Kunden. Wenn diese Annahmen nicht zutreffen, muß der ISP handeln, um nicht ruiniert zu werden. Er kann – so der Kunde auf Aufforderung nicht reagiert – den (in seinen Augen) stattfinden Mißbrauch in der Servicequalität verschlechtern, oder dem Kunden kündigen.

Man sollte sich klar sein, was man wirklich will: Netzneutralität und Dumpingpreise sind zusammen nicht umsetzbar.

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