Wie schnell sind Algorithmen in Haskell? - Vorbereitungen

Haskell ist derartig faul, dass die gängigen Methoden zur Abschätzung der Programmlaufzeit scheitern. Nach der bahnbrechenden Arbeit von Okasaki bestand aber Hoffnung, dieses Thema in den Griff zu bekommen. Einige der Annahmen dieser Arbeit sind nicht anwendbar, wenn Haskell selbst zum Aufräumen von Zwischenergebnissen zu faul ist. Um selbst einige Ideen auszuprobieren, brauche ich reale Messwerte. Und die will ich jetzt erzeugen.

Profiling

Der klassische Weg mit Performance Problemen umzugehen, ist Profiling. Als Beispiel muss wieder die Fibonacci-Folge herhalten. Und das besonders ineffizient:

fib :: Int -> Int
fib 0 = 1
fib 1 = 1
fib n = a + b
 where
  a = fib (n-1)
  b = fib (n-2)

Ich habe die Zwischen-Terme a und b extra benannt, damit sie im Profiling dann auch auftauchen.

Ich möchte die Zeit messen, die Haskell zur Abarbeitung braucht, dazu lasse ich mir die verstrichene CPU Zeit vor und nach der Abarbeitung geben. Um das Programm mit verschiedenen Werten zu testen, lese ich das Argument der Funktion von der Kommando-Zeile ein.

import System.Environment
import System.CPUTime

main = do
  [arg] <- getArgs
  limit <- readIO arg
  print limit
  start <- getCPUTime
  let result = fib limit
  finish <- getCPUTime
  print (finish - start) -- picoseconds

Nun noch kompilieren und probieren:

$ ghc -O3 -prof -fprof-auto -rtsopts fib.hs
[1 of 1] Compiling Main             ( fib.hs, fib.o )
Linking fib ...
$ fib 20
20
14000000
$ fib 200
200
14000000

Huch? Warum sollte das Programm die gleiche Zeit brauchen, wenn es doch so unterschiedliche Berechnungen zu vollführen hat? Die angegebene Zeit ist in Picosekunden, also stehen da real 14µs. Etwas wenig.

Schauen wir mal in das Profiling:

$ fib 200 +RTS -p
200
5000000
$ cat fib.prof
                                                  individual      inherited
COST CENTRE MODULE             no.     entries  %time %alloc   %time %alloc

MAIN        MAIN                54          0    0.0    1.1     0.0  100.0
 CAF        Main               107          0    0.0    0.1     0.0    2.2
  main      Main               108          1    0.0    0.0     0.0    0.0
 CAF        GHC.IO.Encoding     95          0    0.0    5.5     0.0    5.5
 CAF        GHC.IO.Handle.FD    92          0    0.0   56.5     0.0   56.5
 CAF        GHC.IO.Handle.Text  91          0    0.0    0.1     0.0    0.1
 CAF        Text.Read.Lex       88          0    0.0    1.1     0.0    1.1
 CAF        GHC.IO.Encoding.Ic  83          0    0.0    0.4     0.0    0.4
 CAF        GHC.Conc.Signal     73          0    0.0    1.0     0.0    1.0
 CAF        GHC.Read            68          0    0.0    1.5     0.0    1.5
 main       Main               109          0    0.0   30.5     0.0   30.5

Man sieht sehr schön. dass die übergebene Zahl vom Lexer bearbeitet, Daten ausgegeben wurden. Was aber komplett fehlt, ist jedoch die Abarbeitung der fib-Funktion?

Haskell ist schlicht zu faul, die Berechnung überhaupt auszuführen, wenn sowieso niemand das Ergebnis braucht! Um dem abzuhelfen, muss man das Ergebnis also auch noch ausgeben.

main = do
  [arg] <- getArgs
  limit <- readIO arg
  print limit
  start <- getCPUTime
  let result = fib limit
  finish <- getCPUTime
  print (finish - start)
  print result

Einfach am Ende noch das Ergebnis ausgeben. Sollte tun, oder?

$ fib 35
35
9000000
[ ... Pause ...]
14930352

Das Ergebnis erscheint mit deutlicher Verzögerung nach der Ausgabe. Insofern sind  die angegebenen 9µs definitiv unpassend. Was ist passiert?

Haskell war zu faul, das Ergebnis sofort zu berechnen. Erst als es durch die Ausgabe gezwungen wurde, hat es die Berechnung nachgeholt. Da war die Zeitmessung allerdings schon lange vorbei.

Die Verwendung des Ergebnisses muss also vor dem Ende der Zeitmessung erfolgen!

main = do
  [arg] <- getArgs
  limit <- readIO arg
  print limit
  start <- getCPUTime
  let result = fib limit
  print result
  finish <- getCPUTime
  print (finish - start)

Und das gibt:

$ fib 35 +RTS -p
35
14930352
1354134000000

Jetzt zeigt die Zeitmessung auch passende 1,3 Sekunden. Und was sagt das  Profilinging?

                                                  individual      inherited
COST CENTRE   MODULE                   entries  %time %alloc   %time %alloc

MAIN          MAIN                          0    0.0    1.1   100.0  100.0
 CAF          Main                          0    0.0    0.0     0.0    2.1
  main        Main                          1    0.0    2.0     0.0    2.0
 CAF          GHC.IO.Encoding               0    0.0    5.4     0.0    5.4
 CAF          GHC.IO.Handle.FD              0    0.0   54.6     0.0   54.6
 CAF          GHC.IO.Handle.Text            0    0.0    0.1     0.0    0.1
 CAF          Text.Read.Lex                 0    0.0    1.1     0.0    1.1
 CAF          GHC.IO.Encoding.Iconv         0    0.1    0.4     0.1    0.4
 CAF          GHC.Conc.Signal               0    0.0    1.0     0.0    1.0
 CAF          GHC.Read                      0    0.0    1.5     0.0    1.5
 main         Main                          0    0.0   32.8    99.9   32.8
  main.result Main                          1    0.0    0.0    99.9    0.0
   fib        Main                   29860703   28.3    0.0    99.9    0.0
    fib.a     Main                   14930351   40.8    0.0    40.8    0.0
    fib.b     Main                   14930351   30.8    0.0    30.8    0.0

Die eine Zahl Differenz zwischen a und b macht allein 10% der benötigten Rechenleistung aus. Das ist beachtlich.

Zeitverhalten

Zurück zum urspünglichen Problem: Wie schnell sind Algorithmen in Haskell? Die Frage bezieht sich normalerweise auf die Entwicklung des Zeitverhaltens in Abhängigkeit von der zu verarbeitenden Datenmenge.

Grundsätzlich könnte man das bisherige Programm für jeden Zahlenwert einzeln aufrufen und die Zeiten aufschreiben. Aber das ist aufwändig und kann von Haskell selbst gemacht werden.

Zunächst einmal ist zuverlässig sicher zu stellen, dass der Versuch der Berechnung nicht über alle Zeiten hinauswächst. Die Berechnung muss notfalls abgebrochen werden. Das löst die Funktion System.Timeout.timeout: Sie lässt die Berechnung in parallelen Thread laufen und bricht den notfalls ab. Das ganze Signalisierungsverhalten ist zwar prinzipell einfach, aber die Bibliotheksfunktion löst auch die kleinen Dreckeffekte, über die man selbst noch nicht gestolpert ist.

Anderseits ist der bisherige Rückgabewerte von CPUTime schwer verständlich. Besser wäre ein klarer Wert ins Sekunden. Deswegen wechsle ich hier auf Data.Time.getCurrentTime.

Der dritte Punkt, der zu beachten ist, behandelt die vollständige Evaluierung der Eingabedaten vor der Ausführung der zu testenden Funktion, sowie das Erzwingen der notwendigen Berechnung. Dazu verlange ich zwei Hilfsfunktionen: pre dient dazu, aus dem numerischen Wert der Datenmenge auch brauchbare Ausgangsdaten zu erzeugen, z.B. eine Baumstruktur, über die der Algorithmus dann laufen soll. post dagegen extrahiert aus dem Ergebnis des Algorithmus eine Zahl. Diese Extraktion muss nicht zwingend alle Teile des Ergebnisses auswerten, es genügt z.B. die Länge eines Rückgabestrings zu ermitteln, wenn es sich um einen Algorithmus zur Stringverarbeitung handelt, schließlich sind die konkreten Inhalte des Strings dabei nicht relevant.

Die Eingabedaten werden komplett angezeigt, um alle Details zu evaluieren. Zum Erzwingen der Auswertung an der richtigen Stelle werden die Zahlenwerte auf positive Wertebereiche per Control.Monad.guard geprüft.

import Data.Time
import Control.Monad

profile :: (Show a) => (a -> b) -> (Int -> a) -> (b -> Int) -> Int
        -> IO (Maybe NominalDiffTime)
profile test pre post n = do
  let input = pre n
  guard $ 0 <= length (show input) -- fully evaluate before measuring
  timeout 5000000 (do
      start <- getCurrentTime
      let output = test input
      guard $ 0 <= post output -- evaluate the relevant part
      finish <- getCurrentTime
      return $ finish `diffUTCTime` start
    )

Nochmal in Worten:

  • Die Funktion pre macht aus einem Zahlenwert die Datenstruktur a, auf der der Algorithmus arbeiten soll.
  • Die Funktoin test führt den Algorithmus aus, in dem sie als Argument eine Datenstruktur a übergeben bekommt und eine Datenstruktur b zurück liefert.
  • Die Funktion post presst aus der Ergebnisstruktur b einen positiven Zahlenwert heraus, wobei sie die Ausführung des Algorithmus erzwingt.
  • Klappt alles, erhalten wir die Zeit, die die Funktionen test und post benötigt haben.
  • Die Berechnung ist mit einem Timeout von 5 Sekunden umschlossen: Endet die Berechnung nicht rechtzeitig gibt es Nothing.

Mit einer solche Mess-Funktion kann man nun eine Mess-Reihe automatisch erzeugen:

mkProfile :: (Show a) => (a -> b) -> (Int -> a) -> (b -> Int) -> IO ()
mkProfile test pre post = worker (profile test pre post) testpoints
 where
  testpoints = [ 1 .. 9 ]
            ++ [ x*10^c | c <- [0 .. ], x <- [10 .. 99] ]
  worker f (x:xs) = do
    r <- f x
    case r of
      (Just y) -> do putStrLn . shows x . showChar ',' . init $ show y
                     when (y < 5) $ worker f xs
      _        -> putStrLn "# Timed out"

Für eine Reihe von Testpunkten, die immer größere Abstände annehmen, wird die Laufzeit ermittelt. Da die Darstellung der Laufzeit ein finales "s" für Sekunden am Ende hat, wird es per init abgeschnitten. Der Rest der Ausgabe ist ein CSV.

Die Messung wird fortgeführt, wenn überhaupt ein Ergebnis ermittelt werden konnte (kein Timeout) und die Laufzeit die 5 Sekunden nicht überschreitet. Die Timeout-Funktion garantiert nur, dass der Abbruch nicht vor 5 Sekunden stattfindet. Länger kann es durchaus dauern, da die typische Haskell-Runtime kooperatives Multitasking betreibt.

Und was sagt das zu unserer Fibonacci-Folge?

main = mkProfile fib id id

Die Hauptfunktion ist denkbar einfach: Erstelle ein Profil der fib-Funktion, wobei die Eingabemenge aus der Zahl besteht, die übergeben wird. Das Ergebnis ist ebenfalls eine Zahl, die so übernommen wird wie sie ist.

image005

Das ist klar expotentielles Wachstum.

Damit steht nun ein Handwerkszeug zur Verfügung, um andere - interessantere Algorithmen - zu untersuchen.

Nachbetrachtung

Natürlich würde man die Fibonacci-Folge in Haskell niemals so schreiben, sondern eher so:

fibs = 1 : 1 : zipWith (+) fibs (tail fibs)
fib1 x = fibs !! x

main = mkProfile fib1 id abs

Die Fibonacci-Folge besteht aus den Werten 1, 1 und dann der Summe der Fibonacci-Werte beginnend am Anfang und um ein Element versetzt. Die Liste ist unendlich lang, aber dank des faulen Haskells besteht da kein Problem: Denn nur der x-te Wert wird dann heraus genommen.

Da wir mit Int rechnen, gibt es Überläufe während der Rechnung. Anstatt auf den korrekten Typ Integer auszuweichen, nehme ich hier einfach den Absolutwert als Ergebnis. Es geht ja nicht um die Berechnung der Werte an sich, sondern um die Art der Ermittlung (also den Algorithmus).

Und das ergibt dann?

image007

Das ist spannend! Mit einigen Ausreißern geht die Berechnung fast linear durch und zwar in die zig Millionen, statt bis 42.

Beobachtet man allerdings den RAM-Verbrauch während der Abarbeitung, so steigt dieser bis zu 4 GB an (mehr gebe ich dem Prozess hier nicht). Dann bricht die Abarbeitung ab. Die Stellen, bei denen die Laufzeit so stark ansteigt, entspricht den Stellen, wo das System massiv nach RAM verlangt.

Was ist passiert?

Die Definition von fibs ist global, d.h. der Wert steht immer zur Verfügung. Anders gesagt, verwirft Haskell die ermittelten Werte des Feldes nie wieder. Deswegen steigt der RAM-Verbrauch immer weiter an. Am Ende sind über 40 Mio. Werte berechnet worden. Incl. Overhead für die verkettete Liste sind das also ungefähr 80 Byte pro Eintrag.

Andererseits führt das zu den niedrigen Laufzeiten, da ja alle Werte schon berechnet wurden.

Alle Werte? Nein, die Schrittweite steigt ja immer um eine Größenordung. Damit müssen auch immer mehr Zwischenwerte berechnet werden, um auf das nächste Ergebnis zu kommen. Dies erklärt die sprunghaft steigende Abarbeitungszeit, die mit der größeren Schrittweite korreliert.

Was wäre nun, wenn man korrekterweise nicht mit den übrig gebliebenen Berechnungen des vorherigen Versuchen zu betrügen versucht?

fib2 x = fib' !! x
  where fib' = 1 : 1 : zipWith (+) fib' (tail fib')

Hier werden die Zwischenergebnisse in einer lokalen Variablen gehalten, die außerhalb des Aufrufs keine Bedeutung hat. Es besteht sogar die Hoffnung, dass die nicht benötigten Zwischenergebnisse direkt verworfen werden, und so der RAM-Bedarf nicht exorbitant steigt.

image007

Zwei Dinge sind auffällig:

  • Der RAM-Bedarf steigt wieder so an, das Programm hält aber länger durch, wenn die Grenze erreicht ist.
  • Das Laufzeitverhalten ist ähnlich, erreicht aber deutlich höhere Werte.

Was ist passiert?

Haskell erkennt durchaus, dass die Definition von fib' unabhängig vom Aufrufparameter ist und benutzt diese Tatsache zu dem Memorization-Trick, der bei fibs noch explizit aufgeschrieben wurde. Das führt zu dem ähnlichen Verhalten bis zu 40 Mio. Danach muss (und kann) Haskell die Zwischenergebnisse immer wieder verwerfen, um weiter arbeiten zu können.

Kann man Haskell den Algorithmus expliziter vermitteln? Schließlich ist es ja wenig elegant, eine Liste von uninteressanten Werten jedesmal von Anfang an zu durchlaufen (was schonmal minimal lineare Laufzeit generiert)

fib3 x = head $ drop x fib'
 where fib' = 1 : 1 : zipWith (+) fib' (tail fib') 

Der einzige Unterschied ist hier, dass statt dem (!!) Operator, der eine Liste bis zum x-ten Element durchläuft, der Anfang der Liste weggeworfen wird, um dann das erste Element zu nehmen.

image007

Das gleiche Bild, allerdings sind die Laufzeiten kürzer und die Abarbeitung erfolgt glatter. Es ist nicht so erratisch. Das exorbitante RAM-Bedarf ist allerdings noh da.

Also muss auf die Liste als solche verzichtet werden.

fib4 x = fib' x (1,1)
 where
  fib' 0 (a,_) = a
  fib' n (a,b) = fib' (n-1) (b,a+b) 

Dieses Programm nimmt den Kern der zipWith (+) Funktion explizit her und zählt parallel rückwärts. Es sammelt die Werte gar nicht erst auf, sondern verwirft sie sofort.

image007

Der RAM-Bedarf ist diesmal konstant. Das ist allerdings erwartungskonform.

Eine echte Überraschung ist allerdings die Laufzeit dieses Algorithmus:

  • Die Laufzeit ist praktisch linear mit 2 Sekunden je 10 Mio.
  • Allerdings sind die anderen Algorithmen durch die Bank deutlich schneller als die direkte Berechnung der Werte.
Laufzeit im Vergleich
Mio fib1 fib2 fib3 fib4
10 53ms 53ms 52ms 1750ms
20 192ms 189ms 189ms 3714ms
30 349ms 264ms 238ms  
40 321ms 361ms 298ms  
50   839ms 339ms  
60   366ms 365ms  

Fazit

Die von Haskell angewendeten Methoden der Memorization gestatten es, perfomante Algorithmen zu schreiben, die im Gegensatz zu den klassischen Algorithmen geschickter betrügen. Man muss bei Performance Messungen also höllisch aufpassen.

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