Sonstige Parteien im Wandel der Zeiten

Die 5%-Hürde führte bei der diesjährigen Bundestagswahl spektakulär zu einem Verwerfen von fast sechs Millionen Stimmen. Auch ich hatte mir dazu Gedanken gemacht. Der überarbeitete Vorschlag besteht darin bis zu 5% der Stimmen im Sinne einer stabilen Mehrheitsfindung zu opfern. Doch was würde eine solche Änderung normalerweise bedeuten?

Für die Beantwortung der Frage, ob die Wahl 2013 ein Ausreißer war oder einem Trend folgt, ist ein Blick in die Vergangenheit notwendig. Dabei stehen ausschließlich die Stimmen und Parteien im Vordergrund, die es nicht in den Bundenstag geschafft haben: Die Sonstigen.

Ausgehend von den Daten des Bundeswahlleiters wurden für jedes Jahr die Bundesergebnisse erfaßt. Zu beachten sind zwei Ausnahmen:

  • Im Jahr 1949 gab es keine 5%.-Hürde
  • Im Jahr 1990 wurde in Ost und West getrennt eine 5%-Hürde angewandt.
Jahr Angetretene Parteien Gültige Stimmen Sonstige Parteien 5%-Hürde Verworfene Stimmen %-Anteil Sonstige
1949 15 23732398 Wahl ohne 5%-Hürde
1953 13 27551272 6 1377564 1803026 6,54
1957 13 29905428 6 1495271 2010826 6,72
1961 9 31550901 5 1577545 1796408 5,69
1965 11 32620442 7 1631022 1186449 3,64
1969 12 32966024 8 1648301 1801699 5,47
1972 8 37459750 4 1872988 348579 0,93
1976 16 37822500 12 1891125 333595 0,88
1980 12 37938981 8 1896949 749646 1,98
1983 13 38940687 8 1947034 201962 0,52
1987 16 37867319 11 1893366 512817 1,35
1990 24 46455772 18 2322789 3740292 8,05
1994 22 47105174 16 2355259 1698766 3,61
1998 33 49308512 27 2465426 2899822 5,88
2002 24 47996480 18 2399824 1459299 3,04
2005 25 47187988 19 2359399 1757610 3,72
2009 27 43371190 21 2168560 2606902 6,01
2013 30 43726856 25 2186343 6859439 15,69

Für die Trendanalyse sind Graphen aber sicher besser geeignet. Also mal schauen, wie die "Sonstigen Parteien" sich so verteilen. Die Anzahl der Stimmen, die unter die 5%-Hürde fallen habe ich im Sinne meines Vorschlags gleich gestrichen.

wahl-sonstige-historie

Es ist klar zu erkennen, daß der Trend zu immer mehr Parteien bei der Wahl geht. Erst 2013 ist ein so erheblicher Teil der Stimmen verworfen worden. Der Wert im Jahr 1990 geht maßgeblich auf den knappen Verlust der Grünen im Westgebiet mit 4,8% zurück. Insofern besteht in beiden Jahren eine ähnliche Situation: Es gibt in beiden Fällen Parteien, die knapp die 5%-Hürde verfehlen, deren Stimmen aber fast komplett über der summierten 5%-Hürde liegen.

Die nun offene Frage ist, wie sich die Begrenzung der 5%-Hürde auf maximal 5% der zu verwerfenden Stimmen auswirkt. Welche Parteien kommen somit wie stark in die Parlamente? Ist dann die damals geschlossene Koalition immer noch möglich?

Jahr Gebildete
Koalition
Zusätzliche Parteien beim Abschneiden
von unten
Zusätzliche Parteien beim Abschneiden
von allen
Alte Koalition weiterhin noch möglich?
1953 CDU/CSU,FDP, DP, GB/BHE   12 KPD    6 KPD
   3 BP
Ja/Ja
1957 CDU/CSU, DP   26 GB/BHE   10 GB/BHE Ja/Ja
1961 CDU/CSU, FDP   15 GDP (DP-BHE)    4 GDP (DP-BHE) Ja/Ja
1965 CDU/CSU, FDP 5%-Hürde nicht überschritten
1969 SPD, FDP   23 NPD    3 NPD Nein/Ja
1972 SPD, FDP 5%-Hürde nicht überschritten
1976 SPD, FDP
1980 SPD, FDP
1983 CDU/CSU, FDP
1987 CDU/CSU, FDP
1990 CDU/CSU, FDP   27 GRÜNE   17 GRÜNE
   5 REP
Ja/Ja
1994 CDU/CSU, FDP 5%-Hürde nicht überschritten
1998 SPD, GRÜNE   13 REP    5 REP
   1 DVU
Nein/Ja
2002 SPD, GRÜNE 5%-Hürde nicht überschritten
2005 CDU/CSU,SPD
2009 CDU/CSU, FDP   13 PIRATEN    5 PIRATEN
   2 NPD
Ja/Ja
2013 CDU/CSU, SPD
CDU/CSU, GRÜNE
SPD, LINKE, GRÜNE
  31 FDP
  31 AfD
  14 PIRATEN
  27 FDP
  27 AfD
  10 PIRATEN
   4 NPD
   2 FREIE WÄHLER
Ja/Ja
Ja/Ja
Nein/Nein

Fazit

Die Beschränkung der zu verwerfenden Stimmen auf maximal 5% der gültigen Stimmen ist historisch gesehen nicht schädlich.

Das Verfahren, die Parteien solange rauszuwerfen, bis die 5%-Hürde überschritten würde (Abschneiden von unten), verhindert in zwei Jahren (1969/1998) die doch knappe Koalition. Es kam in den letzten Jahren immer nur die stärkste der sonstigen Parteien hinzu, oft sogar fast in Fraktionsstärke.

Das Verfahren, allen sonstigen Parteien die Stimmen wegzunehmen, bis die 5%-Hürde erreicht ist (Abschneiden von allen), verändert an den historischen Regierungen nichts. In allen Fällen sind die zusätzlich hinzukommenden Parteien deutlich unter Fraktionsstärke und es kommen mehr Parteien ins Parlament.

Die Auswirkungen des "Abschneidens von allen" sind demokratischer (mehr sonstige Parteien, geringerere Einfluß für einzelene sonstige Parteien).

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